Was hilft bei Schulterschmerz?

Leiterin des Schulterzentrums am „Borro“ gibt Antworten zu Behandlungsmethoden

Im neu gegründeten Schulterzentrum am Borromäus Hospital Leer bietet Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. Tanja Rudolph-Steininger, eine Schultersprechstunde an. Im Interview geht die Leiterin der Sektion Schulterchirurgie und des Schulterzentrums auf mögliche Patientenfragen und Behandlungsmethoden rund um den Schulterschmerz ein – etwa aufgrund von Gelenkverschleiß oder Überlastung durch Sport.

 

„So wenig wie möglich und so viel wie nötig“ – was bedeutet das für Ihre Behandlungsmethode in Ihrer Sprechstunde?

In der Schulterchirurgie hat sich in den letzten 20 Jahren enorm viel getan. Gerade durch die Arthroskopien (Gelenkspiegelung oder auch Schlüsselloch-Operationen genannt) profitieren die Patienten sehr: Über eine Kamera und winzig kleine Schnitte können ganze Sehnen angenäht, das Schultergelenk nach einer Luxation (Verrenkung) wieder stabilisiert, eine Sprengung des Schultereckgelenks wieder korrigiert oder sogar ein Knochenbruch der Gelenkpfanne versorgt werden. Sogar arthroskopische Mini-Prothesen bei kleinen Knorpeldefekten können eingesetzt werden. Es gibt auch die Möglichkeit zu einer arthroskopischen Knochenverpflanzung bei Knochendefekten am vorderen Gelenkrand. Durch die kleinen Schnitte ergibt sich nicht nur ein sehr gutes kosmetisches Ergebnis, es müssen auch weniger Muskeln und Sehnen durchtrennt werden, um zum Gelenk zu gelangen.

Wie sehen die Behandlungsmethoden in Zusammenhang mit Prothesen aus?

Hier muss mittlerweile nur das ersetzt werden, was auch wirklich defekt ist. Falls nur ein kleiner Knorpelbereich geschädigt ist, kann ein arthroskopischer Teilersatz vorgenommen werden. Falls nur der Knorpel betroffen ist, reicht eine schaftfreie anatomische Prothese. Wenn Knorpel und Sehnen betroffen sind, kann eine Inversen Prothese die Schmerzen deutlich lindern und die Beweglichkeit trotz fehlender Sehnen verbessern. Nach komplizierten Knochenbrüchen ist manchmal das Gelenk völlig zertrümmert und nicht mehr wiederherzustellen. Dann sind sogenannte Frakturprothesen eine Alternative. An diesen Prothesen können die noch intakten Knochenstücke und Sehnen wieder refixiert werden. Neu im Schulterzentrum ist die Möglichkeit zur Armerhaltung bei großen Tumoren durch spezielle Tumorprothesen. Durch die speziellen Prothesentypen kann jeder Patient die für ihn passende Prothese erhalten gemäß der o.g. Aussage: So viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Was bedeutet ein Sehnenriss an der Schulter?

Die Schulter ist ein muskulär geführtes Gelenk. Sie ist vergleichbar mit einem großen Ball, der auf einem kleinen Teller balanciert. Damit der Ball nicht vom Teller rollt, sind viele Sehnen nötig. Das Zusammenspiel dieser Sehnen, die wie eine Badekappe den Oberarmkopf umgeben und Rotatorenmanschette genannt werden, ermöglicht die Führung des Oberarmkopfes (Ball) in der flachen Pfanne (Teller). Wenn eine Sehne nun gerissen ist, kann der Oberarmkopf nicht mehr so gut in der Pfanne zentriert werden und die Bewegungsrichtung der Sehne fällt aus oder ist abgeschwächt. Meist reißt die sog. Supraspinatussehne, die den Arm zur Seite hin hochhebt.

Wie kommt es zum Sehnenriss?

Die Supraspinatussehne verläuft unter dem Schulterdach entlang am seitlichen Oberarmkopf. Bei Anspannung über den Muskel wird der Arm zur Seite hin angehoben. Über viele Jahre reibt die Sehne unter dem Schulterdach oder bleibt an Osteophyten (Abrieb bei Verschleiß) des Schultereckgelenkes hängen. Auch eine schlechte Haltung kann zu einem Vorkippen des Schulterblattes führen und somit funktionell auf die Sehne drücken. Mit der Zeit reibt sich die Sehne auf und reißt schließlich.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Aus eigener Kraft kann die Sehne nicht wieder einheilen, da die Rissstelle über dem Knorpel liegt und die Sehne weiter zerrieben wird. Je nach Größe des Defektes gibt es unterschiedliche Verfahren, die wir mit dem Patienten individuell besprechen:

Die meisten Risse werden bei uns arthroskopisch genäht (75 Prozent). Gleichzeitig wird natürlich die verantwortliche Engstelle behoben. Falls der Defekt in der Sehne zu groß ist, kann ein Patch aus medizinisch hochgereinigter Schweinehaut zur Stärkung genutzt werden. Als kleiner Eingriff kann ein Pufferkissen (Inspace Ballon) arthroskopisch als Abstandshalter eingesetzt werden. Damit stößt der Oberarmkopf nicht mehr unter dem Schulterdach an, was die Schmerzen häufig reduziert.

Wenn die hintere und die obere Sehne gerissen sind und nicht mehr genäht werden können, ersetzen wir diese durch ein Umschwenken der Sehne des Rückenmuskels (M. Latissimus dorsi) – auch Latissimus Transfer genannt.

Bei extremen Schmerzen, und wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kommt als letzte Option die Implantation einer Inversen Prothese in Frage. Allerdings kann diese Prothese nur schlecht gewechselt werden. Somit sollte der Patient über 75 Jahre alt sein.

Ist Krankengymnastik eine Behandlungsalternative?

Leider können die Physiotherapeuten die gerissene Sehne nicht wiederherstellen. Einige wenige Patienten kommen jedoch mit einem Sehnenriss sehr gut zurecht und haben bei guter Beweglichkeit fast keine Schmerzen. In diesem Fall ist eine unterstützende Physiotherapie zum bestmöglichen Erhalt der Kompensationsmechanismen sinnvoll. Es ist jedoch möglich, dass die Sehne weiter reißt und später eine operative Versorgung nicht mehr möglich ist.

Wie lange dauert es, bis ein Patient wieder halbwegs fit im Alltag ist?

Das hängt sehr von der gewählten Operation und der Belastung im Alltag ab. Wenn eine Sehne refixiert wurde, ist eine Ruhigstellung in einem Kissen für vier bis fünf Wochen im Normalfall nötig. Eine Sehne ist schlecht durchblutet, sodass erst nach drei Monaten die Belastung gesteigert werden sollte. Kontaktsport wie Fußball oder Hockey werden erst nach sechs Monaten empfohlen.

 

  • Ausführliche Informationen über den Ablauf einer Operation und vieles mehr sind auf unserer Homepage des Schulterzentrums am Borromäus Hospital Leer unter www.borromäus-hospital-leer.de zu finden.

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