31.01.2020

Krebs und seine Auswirkungen auf das Essverhalten

Ernährungsmedizinerin Dr. med. Yvonne Rauhut gibt anlässlich des Weltkrebstages Auskunft zu Gewichtsverlust und Mangelernährung

 
Dr. med. Yvonne Rauhut, Oberärztin in der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Koordinatorin des Darmzentrums Borromäus Hospital Leer erläutert, welchen Stellenwert Ernährung für Krebspatienten hat. Seit 20 Jahren wird am 4. Februar der Weltkrebstag begangen. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Ich bin und ich werde“. Laut Deutscher Krebshilfe sei dies ein Aufruf an jeden Einzelnen, seinen persönlichen Lebensstil zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. So verändert die Diagnose schlagartig das Leben des Betroffenen und dessen Angehörigen. Sie hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche – unter anderem auch auf die Ernährung. Ernährungsmedizinerin Dr. med. Yvonne Rauhut, Oberärztin in der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Koordinatorin des Darmzentrums Borromäus Hospital Leer, gibt Auskunft zu Gewichtsverlust und Mangelernährung bei Krebserkrankungen.

 

Welche Rolle spielt die Ernährung bei einer Krebserkrankung?

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – dieses Sprichwort zeigt, dass Essen und Trinken nicht nur gebraucht werden, um den Körper mit notwendiger Energie und Nährstoffen zu versorgen. Sie sind auch für das seelische Wohlbefinden wichtig und tragen bedeutend zur Lebensqualität bei. Beides zusammen ist während der Behandlung von Krebserkrankungen unerlässlich.

Wie kommt es zu Mangelerscheinungen?

Krebserkrankungen sind Erkrankungen, die oftmals nicht nur das betroffene Organ beeinträchtigen, sondern den ganzen Körper. So nehmen viele Kranke stark ab oder ernähren sich unzureichend, weil sie beispielsweise bestimmte Lebensmittel nicht mehr vertragen. Dieser Gewichtsverlust (primäres Anorexie-Kachexie-Syndrom) lässt sich häufig schon vor der Diagnose „Krebs“ beobachten. Rund ein Viertel aller Krebskranken haben einen erhöhten Energieverbrauch. Tumorerkrankungen können auch den Stoffwechsel direkt beeinflussen, so dass Nährstoffe schlechter verwertet werden oder der Kranke eine Abneigung auf bestimmte Nahrungsmittel entwickelt (zum Beispiel eine Abneigung zu Fleisch beim Magenkrebs). Äußere Einflüsse im Rahmen der Krebsbehandlung, wie eine chemo- oder strahlentherapeutische Behandlung, können ebenfalls Auswirkungen auf das Gewicht haben und Mangelerscheinungen bewirken, da sich Geschmack, Geruch, Appetit und Verdauung ändern können (sekundäres Anorexie-Kachexie-Syndrom). Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfall und Verstopfung, als Nebenwirkungen auf bestimmte eingesetzte Medikamente, sorgen zusätzlich dafür, dass die Nahrungsaufnahme oder -verwertung vielleicht gestört sind.

Wie ist die Situation nach Operationen einzuschätzen?

Werden bei einer Operation Organanteile oder Organe entfernt, die für das Essen und die Verdauung notwendig sind (z.B. Magen und Bauchspeicheldrüse), lassen sich Probleme bei der Ernährung nicht immer vermeiden. So muss eventuell der bisherige Ernährungsstil komplett umgestellt werden, da z.B. nur noch kleine Nahrungsmengen aufgenommen werden können oder bisherige körpereigene Verdauungsenzyme einfach nicht mehr vorhanden sind.

Ist der normale Nahrungsweg eingeschränkt oder fällt das normale Essen schwer, ist die Gefahr groß, schnell abzumagern. Es ist dann unerlässlich, sämtliche Nahrungsbestandteile als Infusion dem Körper zuzuführen. Das individuelle Maß an Nahrungsbestandteilen muss für jeden Betroffenen bestimmt und verabreicht werden. Oft ist nicht der Krebs selbst der lebenslimitierende Faktor, sondern die zunehmende Mangelernährung.

Wie schätzen Sie sogenannte Krebsdiäten ein?

Nach aktuellem Forschungsstand gibt es keine Ernährungsform, mit der sich Krebserkrankungen gezielt heilen lassen. Trotzdem vermitteln Anbieter bestimmter Krebsdiäten immer wieder den Eindruck, dass ihr Angebot genau das kann. Für all diese Empfehlungen gilt, dass es keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, die deren günstige Wirkungen eindeutig bestätigen. Dagegen ist auch nicht belegt, dass diese Diäten wenigstens nicht schaden, wenn sie schon nicht nutzen.

Was kann zur Gewichtsabnahme und Mangel-erscheinungen noch hinzukommen?

Eine Tumorerkrankung holt sich die Energie, die sie braucht, egal woher. Ob es von der zugeführten Nahrung ist oder vom Körper selbst, indem die körpereigenen Reserven abgebaut werden. Verstärkend kommt ein Muskelabbau durch Immobilität hinzu. Der physiologisch geringere Anteil an Muskelmasse bei älteren Patienten bringt zusätzliche Gefahren mit sich, nicht nur im Hinblick auf durchzustehende Operationen, sondern auch während einer Krebsbehandlung.

Was raten Sie bei Gewichtsabnahme?

Es ist notwendig, dem Körper die Energie zuzuführen, die er braucht, oft auch über das Limit hinaus, was bisher gewohnt war. Und das kann schwer sein. Deshalb ist es für jeden Krebskranken wichtig, regelmäßig auf sein tägliches Gewicht und seine Ernährung zu achten, damit frühzeitiges unterstützendes Handeln möglich wird. Nur so sind die Kraft für die komplette Behandlung und damit verbundene bessere Aussichten vorhanden.

 

 

Ernährung ist ein wichtiger Baustein, um die Therapie von Krebspatienten zu unterstützen.

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