05.12.2024
"Wir sind die mit der Zeit"
Die Seelsorgerinnen im Borromäus Hospital in der Krankenhauskapelle – Etta Kumm, Susanne Eggert und Helen Reiners (v.l.n.r.)
Seelsorge. Ein Begriff, den jede und jeder sicherlich schon einmal gehört hat. Im Grunde erklärt er sich beinahe selbst. Sorge für die Seele. Hinter dem Kompositum „Seelsorge“ kann sich vieles verbergen. Die Seelsorgerinnen im Borromäus Hospital – Helen Reiners, Etta Kumm und Susanne Eggert – sind sich im Gespräch in ihrer Definition des Wortes jedoch sehr einig: „Seelsorge bedeutet: Da sein, begleiten und zuhören. Das ist der Kern der Sache. Wir können Krisenhelferinnen sein und dafür sorgen, dass man sich nicht allein fühlt“, so Etta Kumm.
„Im Unterschied zur Arbeit der Medizin, der Pflege oder der Physiotherapie ist unsere Arbeit dadurch charakterisiert, dass wir nichts mit den Patient*innen machen“, so Susanne Eggert. „Zeit mit der Seelsorgerin ist Zeit, die jeder und jede selbst gestalten kann.“ Helen Reiners ergänzt: „Oft stelle ich mich den Patient*innen auch so vor, dass ich sage: Ich bin die mit der Zeit. Wir schenken Zeit, die die Patient*innen bestimmen und Raum, den sie gestalten können.“ Im vertraulichen Gespräch fänden die Patient*innen häufig neue Perspektiven und Hoffnung.
Helen Reiners ist seit 22 Jahren im Borro aktiv. Den Wunsch in die Krankenhaus-Seelsorge zu gehen, hegte sie schon im Theologiestudium. „Damals sagte man mir allerdings, dass man für diese Arbeit Erfahrung brauche. Das wollte ich nicht glauben, bis ich, 20 Jahre nach meinem Studium, dann angefangen habe im Krankenhaus zu arbeiten.“ Ihre Kolleginnen, Etta Kumm und Susanne Eggert nicken zustimmend. „Mit steigender Lebenserfahrung durchlebt man auch selbst Dinge, die einen prägen und empathischer für große Nöte anderer Menschen machen“, fügt Susanne Eggert hinzu.
Die Seelsorge im Borromäus Hospital besteht mit Helen Reiners, Susanne Eggert und Etta Kumm aus drei Frauen, die alle unterschiedlichen Kirchen angehören. Die Konfession von Patient*innen spiele bei der Seelsorge im Krankenhaus allerdings nicht die Hauptrolle. Im Vordergrund stehe das menschliche: „Wobei religiös und menschlich auch keine Kategorien sind, die sich ausschließen. In den Gesprächen mit den Patient*innen geht es oft um Hoffnung und Angst – das sind Dinge, die das Faktische übersteigen.“
Der Glaube sei dennoch ein zentraler Bestandteil der Arbeit als ethischer Leitfaden und Kraft, die unterstützt. „Wenn ich in ein Patientenzimmer gehe, habe ich immer einen kleinen Engel in der Tasche“, sagt Helen Reiners, „dieses Symbol sagt mir, dass ich nie allein bin. Das hilft mir, mit schwierigen Situationen umzugehen.“ Susanne Eggert verrät, dass sie, sobald sie nach Hause kommt, als erstes ihre Kleidung wechselt, um das erlebte Leid im Krankenhaus abzulegen.
Vor allem positive Erinnerungen
Auch wenn die drei Seelsorgerinnen in ihrem Beruf häufig mit schweren Schicksalen konfrontiert werden, sei die Arbeit vor allem eine positive. „Wir erhalten sehr viel Dank.“ In einem Menschen neue Hoffnung oder eine neue Perspektive zu erwecken, sei eine der schönsten Belohnungen. „Ich erinnere mich noch an eine Situation, in der mich eine Person im Supermarkt angesprochen hat, die vor längerer Zeit im Krankenhaus war und eine sehr schwierige gesundheitliche Situation hatte“, erinnert sich Etta Kumm, „diese Person dankte mir noch einmal dafür, dass ich damals für sie da war. Und für mich war es sehr schön zu sehen, dass es für diese Person gesundheitlich bergauf gegangen ist.“ An einen Fall erinnern sich alle drei Seelsorgerinnen gut – eine Patientin war über Monate auf der Intensivstation, alle drei Seelsorgerinnen waren involviert und im Kontakt mit der Familie. Nach Monaten konnte die Patientin das Krankenhaus wieder verlassen. „So etwas mitzuerleben, den Weg der Besserung zu begleiten – das ist natürlich etwas Besonderes.“
Generell haben die drei Seelsorgerinnen vor allem positive Erinnerungen an ihre Zeit im Borro. „Erst im vergangenen Jahr haben die Mitarbeitenden in einer Spendenaktion eine große Summe Geld für die Obdachlosenhilfe des DRK gesammelt“, erinnert sich Helen Reiners. Im Anschluss gab es eine weitere Aktion, bei der Mitarbeitende Kleidung für die Kleiderkammer der Obdachlosenhilfe sammelten. „Aus diesen Kleiderspenden werden dort Taschen gepackt, die den Wohnungslosen zugutekommen. Zeitgleich können die Kolleginnen und Kollegen auf Station sich dort melden, wenn Patientinnen oder Patienten ohne Hab und Gut ins Krankenhaus kommen. Das DRK packt in der Kleiderkammer sogenannte Krankenhaustaschen“, erläutert Etta Kumm.
In Erinnerung geblieben seien auch die vielen Gottesdienste, die in der Kapelle des Borromäus Hospitals gefeiert wurden. Insbesondere mit den Gedenkgottesdiensten für verstorbene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an denen auch Menschen ohne Kirchenzugehörigkeit und anderer religiöser und kultureller Prägung teilgenommen haben, konnten die Seelsorgerinnen für die Mitarbeitenden des Hauses in dieser besonderen Situation hilfreich sein.
Helen Reiners, Etta Kumm und Susanne Eggert haben das Borromäus Hospital über Jahre hinweg bereichert und ihre Arbeit mit Herz und Hingabe ausgeführt. Ihre Spuren werden bleiben – in den Erinnerungen der Patient*innen, der Kolleg*innen und all derer, die sie begleitet haben.
Auch wenn sie das Haus verlassen, bleibt ihre Botschaft:
Ein christliches Krankenhaus braucht Seelsorge. Ein seelsorgerliches Gespräch, das Menschen tröstet, braucht Zeit und Zuwendung.

Helen Reiners
Katholische Krankenhausseelsorgerin
Telefon: 0491 85-28 000
helen.reiners@hospital-leer.de
Pastoralreferentin

Pastorin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers